Startups werden die entscheidenden Träger nachhaltiger Entwicklung sein
Interview mit Sustainable Seeds Gründer Rainer Surkow
Die Überführungen von wissenschaftlichen Entwicklungen in die unternehmerische Praxis ist der Dreh- und Angelpunkt in Rainer Surkows beruflichem Schaffen. Der Diplom-Biotechnologe studierte nebenbei einige Semester Jura und BWL und gründete zum Ende seines Studiums ein Beratungsunternehmen. Gleichzeitig blieb er der Forschung verbunden und promovierte im Bereich regenerative Energieerzeugung. Es folgten mehrere Gründungen, unter anderem in den Bereichen Nanotechnologie, Softwareentwicklung und 3D-Druck.
Im Interview erzählt er vom Grundgedanken hinter Sustainable Seeds und was Gründen zu Corona-Zeiten bedeutet.
Was haben Software und Prozessmodellierung mit Nachhaltigkeit zu tun?
Das ist vielleicht nicht gleich offensichtlich und mir ist die Idee auch erst im vergangenen Jahr gekommen: Ich halte diese ganzen Themen nicht für widersprüchlich. Software und Prozessanalyse optimieren Abläufe, ganz egal in welchem Bereich – wenn ich hier die richtige Unterstützung habe, kann ich mich auf meine Kernaufgaben konzentrieren. Das ist das eine. Auf der anderen Seite haben wir den Bedarf an nachhaltigen Projekten. Hier tut sich bereits viel, aber ich glaube, wir stehen trotzdem erst am Anfang. Der Schlüssel liegt meiner Meinung nach nicht in althergebrachten Ansätzen – sonst wäre ja schon alles fertig – sondern in Innovation. Und wer setzt im wesentlichen Innovation um? Das sind Startups. Startups werden in Zukunft die entscheidenden Träger nachhaltiger Entwicklungen sein. Und hier wollen wir mit angepassten Softwarelösungen unterstützen.
Das Angebot an Unternehmenssoftware ist bereits vielseitig, warum braucht es da eine weitere Lösung?
Es gibt ein Grundproblem, das betrifft Startups genauso wie etablierte Unternehmen – und betrifft mich selbst auch. Das Problem ist, dass das, was softwareseitig angeboten wird, um Prozesse in Unternehmen abzubilden, sehr häufig nicht wirklich passt, schwer anzupassen und unflexibel ist, nicht mitwächst und eigentlich das Unternehmen zwingt, sich sehr stark daran anzupassen. Und wenn man jetzt überlegt: Startups gehen naturgemäß neue Wege und sind von den Ansprüchen her vielfältig, dann ist eben genau eine besonders hohe Flexibilität erforderlich. Und das hab ich weder für mich gefunden, noch für die Unternehmen, mit denen ich zusammengearbeitet habe, und das auch in den letzten zehn bis fünfzehn Jahren nicht. Grönemeyer hat mal gesagt, “Hab an allem mal geleckt, nichts hat mir so recht geschmeckt”. Da hab ich das Potential gesehen, dass hier eine ganz große Lücke besteht, in der man a) für andere Leute die Probleme löst, die de facto da sind und b) darauf ein gutes Geschäft aufbauen kann.
Sind die Probleme für alle Unternehmen die gleichen oder muss man das individuell betrachten?
Alle Startups, die sich nicht genuin mit Verwaltung beschäftigen – die mag es auch geben, aber nehmen wir beispielsweise ein technologieorientiertes Startup – müssen sich um ihre eigene Thematik kümmern und haben damit schon sehr viel zu tun. Zusätzlich kommen die administrativen und formalen Ansprüche auf sie zu, wie Zulassungen oder Bestimmungen, die eingehalten werden müssen, und Buchhaltung – sodass sie irgendwann an der Kapazitätsgrenze ankommen. Grade in der Anfangsphase ist es kritisch, wenn zu viele Kapazitäten drauf verwendet werden müssen, sich selbst zu organisieren. Und dieses Problem ist gleich gelagert, das reicht von der Hightech-Branche über Baufirmen bis in die Gastronomie und leider insbesondere auch in den Bereich nachhaltig ausgerichteter Ansätze.
Ein Unternehmen gründen mitten in der Corona-Krise – ist das sinnvoll?
Die Frage habe ich mir auch gestellt! Aber doch recht schnell bemerkt, dass die Resonanz in fast jedem Fall positiv war – UND: die Corona-Krise war fast schon ein Mit-Ideengeber, sozusagen der letzte Tropfen, der alles ausgelöst hat: Digitalisierung ist jetzt – nicht morgen. Sie ist weiterhin Chance aber ich glaube, auch zwingend erforderlich, um im Markt zu bestehen. Und Digitalisierung ist ein zentraler Schlüssel, um Wirtschaft und Projekte wieder in Gang zu setzen. Wer hier nicht mitgeht, wird am Ende große Schwierigkeiten haben.
Ist Geld ein Thema?
Jetzt muss ich erstmal meinen Medienberater fragen, was ich sagen soll… Also: Geld ist immer ein Thema, weder wir noch sonst irgendein Startup kann ohne Geld etwas bewegen. Wir haben das Glück, dass unser Konzept auch bei Geldgebern auf gute Resonanz gestoßen ist.
Allerdings ist auch hier Corona schon ein Thema. Wer jetzt gründet, steht vor noch größeren Herausforderungen. Finanzierungen sind wesentlich schwerer zu erhalten und die Corona-Hilfen sind stark auf den Erhalt bestehender Strukturen ausgerichtet. Wer jetzt gründet, der fällt oft hinten runter, was ich für völlig falsch halte. In einer Situation, wo du damit rechnest, dass irgendwann die Pleiten losgehen, ist es sträflich, keine neuen Seeds reinzuschmeißen und zu sagen, vielleicht schaffen die es ja, weil sie schon auf anderem Boden gewachsen sind.
Was kommt als nächstes?
Was als Nächstes kommt, und hier muss ich noch ein bisschen geheimnisvoll tun, sind mehrere Projekte, die wir schon akquiriert haben, an denen wir gemeinsam mit interessanten, nachhaltigen Startups arbeiten. Da entwickeln wir kooperativ Tools, die wir im Anschluss dann auch anderen zur Verfügung stellen werden.
Außerdem sind wir grade dabei, unser Team zu erweitern und suchen dafür gute und inspirierte Leute!